Wahrheit und Widerstand

Das nachgiebige Verhältnis der Kirchen der Gegenwart gegenüber der ewig gültigen Wahrheit erscheint bemerkenswert. Anstatt dem Sich-Behaupten, dem Pochen auf die christliche Botschaft: allerorten Euphorie über die eigene weichliche Kantenlosigkeit, insondere vonseiten der EKD ein atemloses Sich-Selbst-Überbieten in Sachen Anbiederung an Regierung, Zeitgeist und fremde Religionen.

Für harte Wahrheiten bleibt da verständlicherweise wenig Raum: an diesen harten Wahrheiten könnte sich jemand stoßen, es käme dann zum offenen Konflikt, und dann müsste man Mut beweisen und Farbe bekennen. Lieber schweigen die Kirchen, auch zu den zahlreichen Schändungen christlicher Kirchen beispielsweise in Frankreich – “aus Furcht, ansonsten noch mehr Angriffe auf sich zu ziehen”, wie es heißt.

Pfarrer Hans Milch dazu im Jahre 1985, in seiner Predigt am 2. Weihnachtsfeiertag, Fest des Erzmartyrers Stephanus:

Es gibt für nichts in der Welt so viel Argumente wie die, welche Feigheit und Nachgiebigkeit nachträglich produzieren. […]

“Man muß alles, was so an Unbill, Ungerechtigkeit, Gemeinheit, Irrtum, Verwüstung der Seelen, was so in der Welt an Bösem geschieht, das muß man still erleiden und ertragen. Nur keinen Widerstand leisten. Mitmarschieren und das Beste aus allem herausholen. Denn Christus habe es ja genauso getan. Gegen Ende Seiner Laufbahn sei Er immer stiller geworden, habe die Polemik aufgegeben, bis Er schließlich Sein höchstes Werk vollendet habe im Schweigen des Kreuzestodes. Und so sollte auch der Mensch nichts unternehmen gegen etwas, sondern immer nur für etwas. Und so sei er ein stiller Dulder mitten darinnen.” Wie doch die Feigheit sich so schön verbrämen kann.

Selbstverständlich ist das gar kein stilles Dulden, sondern die Feigen haben immer eine höchst vergnügliche Gesellschaft. Sie sind nie allein. Da ist keine Einsamkeit. Einsamkeit ist nur bei denen, die Widerstand leisten. Und es ist eben ganz und gar nicht wahr, daß Christus gegen Ende Seiner Laufbahn immer mehr ins Schweigen gefallen wäre. Das Gegenteil stimmt! Gegen Ende seiner Laufbahn wurde Seine Aggressivität immer stärker. Man lese nur Seine Streitgespräche mit den Juden, wie Er ihnen begegnet, entgegnet, mit welchen harten Invektiven Er ihnen kommt: “Euer Vater ist der Teufel.” – “Wie kann man nur so reden, so unvornehm, so gar nicht kommunikativ. Er hätte sich mit Ihnen doch auf einer Ebene ruhigen Gespräches finden sollen.” – Er hat im Traum nicht daran gedacht. Er hat ihnen gesagt, was ist, ob gelegen oder ungelegen. Er hat gar nicht nach Gunst oder Ungunst der Umstände gefragt, sondern nur nach dem, was wahr ist, und hat denen, die es hören sollten, mit äußerster Entschiedenheit gesagt, welchen Irrweg sie gehen und wie borniert sie sind in ihrem Hochmut und in ihrer Verstocktheit. Und eben deswegen wurde Er gekreuzigt.